Sonntag, 23. September 2012

La Graciosa, 23. September 2012


Das Orkantief „Nadine“ hat dafür gesorgt, dass wir früher als geplant Madeira verlassen haben und zu den Kanaren gesegelt sind. Beim täglichen Blick auf die Wetterkarte im Internet zeigte sich am Montag gänzlich unerwartet ein im Zentrum lila gefärbtes Auge, das sich genau in unsere Richtung verlagerte. Lila steht für Winde über 55 kn, die aus Südwest auf die Häfen von Madeira treffen sollten. Schon in der Nacht hatten wir zwar kaum Wind, aber stärkeren Schwell im Hafen, der das Schiff unangenehm in die Leinen einrucken ließ. Am nächsten Morgen brach Hektik unter den Seglern aus. Es hieß, der Hafen sei bei solchen Bedingungen nicht sicher und es wurde über Schreckensbilder wie reißende Leinen, aufschwimmende Stege usw. gemutmaßt.
Also folgte allgemeine Aufbruchstimmung, die auch uns erfasste. Für die kommenden drei Tage waren noch ruhige Bedingungen vorhergesagt. Alternative 1, unserer ursprünglicher Plan, sah die Überfahrt nach Quinta do Lorde auf der Insel Madeira vor, von wo aus wir nach einigen Tagen zu den Kanaren aufbrechen wollten. Nachteil: wir könnten eingeweht bleiben und nicht rechzeitig zum Familientreffen nach Graciosa kommen.
Also Alternative 2: direkt zu den Kanaren und dort eine Woche früher als geplant eintreffen. Außerdem nicht die Insel Madeira besuchen und kein Auffüllen unserer Gasflasche, was dort wohl möglich gewesen wäre.
Nach weiteren zwei Stunden und vielen Beratungen unter den Seglern stand fest, dass wir nach Graciosa aufbrechen. Also hieß es Aufräumen, Wasser bunkern und Rechnung bezahlen. Am frühen Nachmittag hatten wir, wie die meisten anderen Segler auch, den Hafen von Porto Santo verlassen. 
Es folgten zwei ruhige Tage auf dem Meer, mit schwachen Winden aus Nord bis Nordost. Der Wind reichte nicht aus, um uns mit annehmbarer Geschwindigkeit segeln zu lassen, sodass wir den Motor ständig langsam mitlaufen lassen mussten. Das war störend. Schön war die gemächliche Berg- und Talfahrt über eine hohe und lang gestreckte Dünung, die uns wie im Tal zwischen Bergen oder hoch auf dem Rücken einer Woge mit weitem Blick fahren ließ.
Mit Hilfe eines Bodenbretts aus dem Beiboot hatten wir uns eine bequeme Liegefläche vor dem Niedergang geschaffen, wo wir während der Wache in der Nacht dösen konnten. Am zweiten Tag ließ der Wind weiter nach und wir konnten am aufgebauten Cockpittisch essen.


Keine Seekrankheit trübte das Wohlbefinden, nur die Müdigkeit wegen zu kurzer Schlafphasen ließ uns etwas durchhängen. Unser Wachsystem kann wohl noch verbessert werden.
Eine schule Delfine hat uns einige Zeit begleitet, immer wieder ein schönes Ereignis. Ein Fliegender Fisch ist auf unserem Deck verendet und ein großer Fleck schwarzer Brühe an der Seite zeugt wohl von einem fliegenden Tintenfisch.


Nach zwei Nächten tauchten am Morgen die Berge von Lanzarote und den vorgelagerten Inseln auf. 


Gegen Mittag konnten wir La Graciosa ausmachen und um 15:00 Uhr liefen wir in den Hafen vor dem Ort Caleta del Cebo ein. Eine Ansammlung von flachen weißgetünchten Häusern mit einigen Palmen dazwischen, vor den Vulkankegeln einer ansonsten völlig kahlen Insel.
Der Ort hat einen ganz eigenen Charme, mit den ausschließlich aus Sand bestehenden Wegen und breiten Strassen und den vereinzelten Landrover, die als Taxis oder für Safaritouren unterwegs sind. Ansonsten ein reiner Fußgängerort. 


Am Hafen einige Restaurants und Läden, die den durchaus vorhandenen Tourismus aus Lanzarote bedienen. Außerhalb des Ortes nur Pisten oder knöcheltiefe Sandwege, die man nicht zur Mittagszeit, wie wir es versucht haben, erwandern sollte. 2,5 Km südlich des Hafens liegt die Playa Francesa, eine einsame Bucht in der Segelboote ankern können.


Damit haben wir unser Ziel, die Kanarischen Inseln, erreicht. So ganz fassen können wir es selbst noch nicht.
Die kommenden drei Wochen werden wir hier auf Graciosa bleiben, die Insel erkunden und den Familienbesuch genießen.
Dann geht es irgendwann weiter nach Lanzarote und Fuerteventura.



Samstag, 15. September 2012

Porto Santo, 15. September 2012


Gestern begann der Morgen stark bewölkt. Nach der kurzen Dämmerung  drangen die ersten Sonnenstrahlen kurz nach acht fächerartig durch die Wolkenlücken. 
Noch 40 sm bis Porto Santo. Nach der dritten Nacht auf See freuten wir uns auf den nahenden Hafen. Um 9:00 Uhr konnten wir die hohen Berge der Insel im Dunst erkennen.


Es war aber schon Nachmittag, als wir schließlich die kleine Insel Ilha de Cima mit dem Leuchtturm rundeten und in die Bucht und den Hafen von Porto Santo fuhren. Eine grandiose Landschaft, die wir nicht erwartet hatten. Ein weiter Sandstrand, umschlossen von hohen schroffen Bergen, alles sehr karg. 


Der Ort Porto Santo in der Mitte der Bucht, mit einer Anlegebrücke und viel Grün zwischen den Häusern.
Letzten Dienstag um 10:00 Uhr haben wir Lagos verlassen, nachdem wir am Tankstellenponton unseren Dieselvorrat aufgefüllt hatten. Vor uns lagen die 450 sm bis Madeira bzw. Porto Santo, der kleineren Nachbarinsel. Der Wetterbericht hatte eine Überfahrt mit mäßigen Winden vorhergesagt (12 bis 17 kn aus NW bis N) mit nur schwachem Wind am letzten Tag der Reise. Gute Bedingungen also für Segler mit schwachen Nerven. Trotzdem waren wir angespannt. Draußen haben wir noch auf die „Pura Vida“ gewartet, die etwas später endlich auch aus der Flusseinfahrt  kam.
Erst ging es bei völliger Windstille an der Küste entlang Richtung Ponta de Sagres. Dort, an der südwestlichten Spitze Portugals setzte der vorhergesagte Wind ohne Übergang ein. Wir setzten die Segel und die Fahrt ging los. Erst kreuzten wir problemlos das weitläufige Verkehrstrennungsgebiet, das die Schifffahrt zwischen der Strasse von Gibraltar und Nordeuropa regelt. Große Containerschiffe und Autotransporter befuhren den vorgeschriebenen Weg mit großem Abstand, so dass wir unseren Kurs nach Südwest nicht zu korrigieren brauchten.
Es war ein sehr schöner Segeltag, der Windpilot übernahm zuverlässig das Steuern. So, dachten wir, kann es ewig weitergehen. Abends, in der kurzen Dämmerung, erinnerten uns einige etwas stärkere Böen daran, für die Nacht ein Reff in das Großsegel zu binden. 


Um halbneun war es dunkel und ein großartiger Sternenhimmel breitete sich über uns aus. Da fast Neumond war, kam die dünne Sichel erst um 5:00 Uhr über den Horizont.
Für die erste Nacht hatten wir uns einen Zwei-Stunden Rhythmus vorgenommen. Abwechselnd saßen wir im Cockpit und beobachteten ab und zu Kurs, Windrichtung und Geschwindigkeit, blickten von Zeit zu Zeit über den Horizont und ließen ansonsten die Gedanken schweifen. Viel gab es nicht zu tun.
Oder wir lagen während dieser Zeit auf der Salonkoje und versuchten zu schlafen, was in dieser ersten Nacht kaum gelang.
Entsprechend müde waren wir am ersten Morgen auf See. Der Wind hatte aufgefrischt, die Wellen waren kabbelig und das Leben an Bord ungemütlicher. Die Vorstellung, noch weitere drei Tage aushalten zu müssen, etwas bedrückend. Wir überlegten, was ein Transport unserer Santos als Decklast auf einem Frachter zurück nach Europa wohl kosten würde.


Als die Sonne höher stieg, stieg auch wieder das Wohlbefinden und wir freuten uns darüber, schon mehr als 24 Stunden unverändert nach Südwest zu segeln ohne kaum in die Segelstellung oder das Ruder eingreifen zu müssen. So verging der Zweite Tag und die folgende Nacht, in der wir unsere Schlafzeiten besser nutzen konnten. Trotzdem war die Nachtwache lang und es war vor allem gegen Morgen schwer die Wachzeit ohne ständiges Einnicken zu überstehen.
Gegessen haben wir wenig, vor Allem Müsli oder Yoghurt mit frischen Früchten und ab und zu ein Brot. Am Abend gab es etwas Warmes.
Der dritte Tag verlief ähnlich, wobei der Wind, wie vorhergesagt, gegen Morgen soweit nachließ, dass wir den Motor zur Hilfe nehmen mussten.
Abgesehen vom ersten Tag, an dem wir Besuch von einer Gruppe Delfine hatten, gab es während der Fahrt wenig zu sehen, außer Himmel und Wasser und auch sonst wenig Ereignisse. Diese Elemente zeigten sich aber auf schönste Weise, der Himmel meist klar oder mit unvorstellbar vielen Sternen, das Wasser von einem unglaublichen Blau.


Meist saßen wir im Cockpit oder lagen auf der Koje und ließen die Zeit vergehen. Insgesamt war es eine angenehme Überfahrt. Wir fühlten uns immer sicher und auch körperlich ging es uns wesentlich besser als während der Überquerung der Biskaya.
Zweimal am Tag hatten wir Kontakt zu unseren Amateurfunk-Seelotsen, die zuverlässig in Deutschland an ihren Funkgeräten saßen, unsere Position verfolgten und uns mit ausführlichen Wetterinformationen versorgten. Dabei hatten wir auch Funkkontakt zu einem anderen Segler auf dem Weg hierher, den wir inzwischen auch persönlich kennen gelernt haben.
Hier im Hafen liegen heute fünf Deutsche Schiffe, vier davon mit dem Trans-Ocean-Wimpel in der Saling. Zum ersten Mal entwickelt sich eine kleine Gemeinde von Langzeitseglern, die wir schon viel früher erwartet hatten. Alles Paare in unserem Alter oder etwas jünger, mit denen man sich durch die gemeinsame Situation schnell verbunden fühlt.


Eine Woche wollen wir hier bleiben und dann die nächste Strecke bis zu den Kanaren angehen, wo auf Graciosa die Familie mit den heiß ersehnten Enkeln kommt.



Donnerstag, 6. September 2012

Ilha da Culatra, 6. September 2012


Seit drei Tagen ankern wir wieder bei der Insel Culatra, in der Lagune von Faro und Olhao. Die Lagune ist weitläufig, am westlichen Ende sehen wir die Skyline von Faro und die Ferienflieger, die regelmäßig aufsteigen oder landen. 


Nordöstlich von uns liegt das kleine Städtchen Olhao, wo wir vorgestern zum Einkaufen und beim Friseur (Tom) waren.
Bei Niedrigwasser fallen große Flächen von sandigem Watt trocken. Die Muschelzüchter fahren dann zu ihren abgesteckten Claims und arbeiten dort, bis das Hochwasser wieder alles in eine große Seenlandschaft verwandelt. 


Die Insel Culatra besteht aus einem einige Kilometer langen, flachen Dünenstreifen, und schützt in diesem Teil die Lagune vom offenen Atlantik.
Darauf die Ortschaft Culatra, einer Ansammlung von flachen Häuschen, zwei Kneipen, einem Mini-Mercado und einem von kleineren Fischerbooten voll gestopften Hafen. Von einigen aus Betonplatten bestehenden Fußwegen abgesehen, versinkt alles im Sand. 


Einige uralte Traktoren sichern die Versorgung und bringen z.B. das Bier vom Anleger in die Kneipen.
Eine Fähre fährt 5-mal am Tag nach Olhao und bringt die Badegäste vom Festland, die dann voll bepackt zum Strand auf der Außenseite stapfen.
Vor dem Hafen ankern ca. 30 Segelboote aus den üblichen nordeuropäischen Ländern, ein Portugiese ist auch dabei.
In der Rushhour morgens und abends rasen alle paar Minuten übermotorisierte Fischerboote oder Wassertaxis mitten durch das Ankerfeld auf dem Weg nach Olhao oder zurück und immer dicht an uns vorbei. Irgendwie liegen wir in deren Einflugschneise.
Der Ort und die Insel strahlen aber trotzdem Ruhe und Abgeschiedenheit aus. Sehr schön. Gestern waren wir baden, wegen den Wellen und der Strömung eher ein Plantschen im angenehm frischen Atlantik.


Davor waren wir einige Tage in Ayamonte, der Spanischen Grenzstadt am Fluss Guadiana. Dort hat es uns ausnehmend gut gefallen. Spanische Städtchen haben ein lebendige Atmosphäre und unterscheiden sich deutlich von der etwas melancholischen Grundstimmung Portugals, auch wenn das sehr nach einem Klischee klingt. Vor allem abends, wenn die Familien die Straßen und Plätze bevölkern. Bis Mitternacht sind sie unterwegs, vom Säugling bis zur Greisin. Wann schlafen die Kinder? Müssen sie am nächsten Tag nicht in die Schule?


Baden konnten wir da nicht so gut. Das Wasser war etwas trübe und den Riesenquallen wollten wir auch nicht begegnen.


Dort haben wir ein Deutsches Paar mit ihrer „Pura Vida“ kennen gelernt. Es war mal wieder schön, bis spät in die Nacht im Cockpit zu sitzen und zu klönen. Wie wir, wollen auch sie nach Madeira. Übermorgen wollen wir uns in Lagos treffen und die Überfahrt gemeinsam angehen.